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Beitrag vom 05.03.2008
Trauer um Ex-Bundestagspräsidentin Annemarie Renger
AVIVA-Redaktion
Die SPD-Politikerin starb nach schwerer Krankheit in der Nacht zum 3. März 2008. Die 88-jährige engagierte sich besonders für die Gleichberechtigung von Frauen und die Deutsch-Jüdische-Aussöhnung.
Annemarie Renger (geb. 7.Oktober 1919) war von 1953 bis 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages, während dieser Zeit bildete ihre Wahl zur Bundestagspräsidentin am 13. Dezember 1972 den Höhepunkt ihrer Karriere. Die gebürtige Leipzigerin erlangte somit als erste Frau das zweithöchste Amt der Bundesrepublik Deutschland. Seit ihrem Ausscheiden 1976, blieb Renger weiterhin als Vizepräsidentin im Amt. Rückblickend erklärte Renger: "Ich habe in dieser Zeit erreicht, was ich wollte: Es ist bewiesen, dass eine Frau das kann".
Nach ihr wurde mit Rita Süssmuth (CDU/CSU, 1988-98) bisher nur eine weitere Frau zur Bundestagspräsidentin ernannt.
Annemarie Renger engagierte sich seit ihrer Jugend in der SPD, auch ihre Eltern waren als SozialdemokratInnen in der Weimarer Republik aktiv. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die gelernte Verlagskauffrau und Stenotypistin Kurt Schumachers Privatsekretärin und engste Vertraute in der neuformierten SPD. Als Schumacher 1952 starb, begann Renger in der Partei politische Ämter zu übernehmen. Sie wurde Mitglied des SPD-Parteivorstandes, Mitglied des Präsidiums und von 1969 bis 1972 war Annemarie Renger parlamentarische Geschäftsführerin der SPD.
Die zum konservativen Flügel der SPD zählende, aber als gewerkschaftsnahe geltende Politikerin, blieb auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 1990 politisch aktiv: sie gehörte u. a. dem Auswärtigen Ausschuss (1977-1983) an und war von 1976 bis 1990 Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe. Die israelische Ben Gurion-Universität verlieh Annemarie Renger 1988 die Ehrendoktorwürde. Zudem war sie Mitglied beim Kuratorium der Heinz-Galinski-Stiftung (1987-96), die sie 2006 für ihre Verdienste um die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen mit dem Preis der Heinz-Galinski-Stiftung ehrte. Annemarie Renger setzte sich für den Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland nach der Sho´ah ein, verteidigte stets das Existenzrecht Israels und verurteilte öffentlich Rechtsradikalismus und Antisemitismus. Bereits 1974 erhielt sie das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und 1991 die Buber-Rosenzweig-Medaille für ihre besonderen Verdienste im christlich-jüdischen Dialog.
Anlässlich ihres Todes erklären Michael Joachim, Vorsitzender des Vorstands, Lala Süsskind, Vorsitzende des Kuratoriums und Ruth Galinski, Vorstandsmitglied für die Heinz-Galinski-Stiftung:
"Wir haben eine wunderbare Freundin verloren."
Auch frauenpolitisch war Annemarie Renger stark engagiert: von 1966-1973 agierte sie als Vorsitzende des SPD-Bundesfrauenausschusses und bis 1976 als Vizepräsidentin des Internationalen Rates Sozialdemokratischer Frauen in der Sozialistischen Internationale. Sowohl in der Partei als auch im Deutschen Bundestag setzte sie sich für die Gleichberechtigung der Frauen ein.
Erst kurz vor ihrem Tod wurde Annemarie Renger nach längerem Klinikaufenthalt in ihr Haus in Oberwinter bei Bonn gebracht. Die zweifache Witwe starb nach langer, schwerer Krankheit und hinterlässt einen Sohn aus erster Ehe.
Die Lebensleistung der "Grande Dame" der SPD wurde am Montag, nach Bekanntwerden ihres Todes von allen Parteien gewürdigt. Kurt Beck, SPD-Chef, erklärte "Sie hat Geschichte geschrieben. In einer Zeit, in der der Frauenanteil in der Politik noch einstellig war, hat sie selbstbewusst ihren Anspruch auf eine Führungsposition durchgesetzt."
(Quellen: dpa, Heinz Galinski Stiftung, Tagesspiegel)